Zur Person: Jürgen Schempp stammt aus Baden-Württemberg und ist auf der schönen Schwäbischen Alb aufgewachsen. Nach einem Studium zum Diplom-Verwaltungsfachwirt (FH) an der FH Ludwigsburg trat er seine erste Stelle als Sachbearbeiter in der Sozialverwaltung beim Bezirk Oberbayern an und blieb dem Bezirk bis heute in verschiedenen Funktionen treu. Unter anderem war er als Leiter des Arbeitsgebiets Personalentwicklung/ Personalplanung und als Referatsleiter Eingliederungshilfe tätig. Seit Oktober 2016 leitete er die Verwaltung des Schulzentrums Johanneskirchen. Dabei vertrat er mehrmals die vakante Stelle der BBW-Leitung. Seit dem 1. Mai 2024 ist Jürgen Schempp neuer Leiter des BBW München. Welche Pläne er hat und wie er die anstehenden Herausforderungen angehen will, verrät er in diesem Interview.
Bisher waren Sie Verwaltungsleiter am Schulzentrum Johanneskirchen, seit dem Ausscheiden von Jasmin Groh kommissarischer Leiter des BBW. Am 1. Mai 2024 übernehmen Sie nun dauerhaft die Leitung des BBW München. Wie kam es dazu?
Nachdem Jasmin Groh das BBW verlassen hatte, startete der Bezirk Oberbayern zwei Ausschreibungsverfahren, die leider nicht von Erfolg gekrönt waren. Da ich mittlerweile seit über einem halben Jahr die Einrichtungsleitung kommissarisch übernommen hatte – und das auch nicht zum ersten Mal – habe ich mich bei der dritten Ausschreibung entschlossen, mich auf die Stelle zu bewerben. Viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen im BBW und im Bezirk haben mich darin bestärkt, meinen Hut in den Ring zu werfen. Mit der Stelle der Einrichtungsleitung verbinde ich sehr viel Gestaltungsspielraum, was mich sehr reizt.
Da Sie sozusagen nur das Büro wechseln, brauchen Sie keine lange Einarbeitungszeit. Welche Themen stehen für Sie als neue Einrichtungsleitung ganz oben auf der Agenda?
An einigen wichtigen Themen arbeiten wir bereits seit einiger Zeit: Die Umsetzung der neuen Kernleistungsbeschreibungen macht gute Fortschritte. Damit einher geht, dass wir weiteres Personal einstellen werden, das natürlich Büroarbeitsplätze benötigt. Hier sind bereits erste Maßnahmen angelaufen.
Außerdem startet im Mai unsere Zweiradwerkstatt in den Ausbildungsbetrieb. Bis hier alle Abläufe in der Ausbildung, Berufsvorbereitung und später im Kundengeschäft eingespielt sind, ist noch einiges zu tun, aber auch hier sind wir schon auf einem guten Weg. Ganz allgemein steht die Frage an, wie wir die bestehenden Betriebe stärken können, etwa durch neue Berufsbilder innerhalb der Betriebe. Hier gilt es, den Austausch mit den Arbeitsagenturen sowie den Kammern und Innungen zu intensivieren.
Weitere Aufgaben liegen in der Digitalisierung, wo wir besonders in den Abläufen und Prozessen noch Verbesserungsbedarf haben, und im Wissensmanagement. In den nächsten Jahren werden viele langjährige und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rente gehen. Wir müssen Wege finden, damit deren Wissensschatz nicht verloren geht – und gleichzeitig neue Fachkräfte für die anspruchsvollen Aufgaben finden und entwickeln.
Durch Ihre Arbeit als Verwaltungsleiter des Schulzentrums Johanneskirchen kennen Sie das BBW bereits sehr gut. Wo sehen Sie die Stärken des BBW München?
Wir sind ein zahlenmäßig überschaubarer Betrieb. Dadurch ist einerseits ein sehr enger Austausch des Kollegiums möglich, andererseits sind unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch im Haus bekannt, jeder Name hat sozusagen ein Gesicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hochqualifiziert und Fachleute auf ihrem Arbeitsgebiet. Mit dem Bezirk Oberbayern haben wir einen starken und wohlwollenden Träger hinter uns, hinzu kommen langjährige und verlässliche Kooperationspartner wie der BLWG e.V. oder der GMU e.V. Unser Hauptgebäude ist frisch saniert, wir verfügen in allen Ausbildungsbetrieben über moderne Maschinen und Gerätschaften. All das trägt dazu bei, dass wir eine sehr hohe Erfolgsquote haben: Etwa 95% der Jugendlichen verlassen das BBW mit einem Gesellenbrief oder einer abgeschlossenen Fachpraktiker-Ausbildung.
Fördereinrichtungen stehen immer wieder in der Kritik, als „Sonderwelten“ für die Inklusion von Menschen mit Behinderung kontraproduktiv zu sein. Wie stehen Sie dazu?
Inklusion darf kein Dogma sein: Es gibt viele junge Menschen mit Behinderung, für die eine inklusive Beschulung und Ausbildung in Regelbetrieben der richtige Weg ist. Genauso gibt es aber Jugendliche, die einen geschützten Rahmen brauchen, um sich in Ruhe entwickeln zu können. Wir müssen immer den Blick auf die Bedürfnisse und Wünsche der Einzelperson richten und prüfen, welcher Weg der Beste ist. Eltern sollen eine bewusste Entscheidung für den einen oder den anderen Weg treffen können. Dazu braucht es aber ein passgenaues Angebot in vielfältigen Fördereinrichtungen.
Der Förderschwerpunkt des BBW München liegt im Bereich Hören und Sprache. In der Vergangenheit gab es immer wieder Bestrebungen, das Förderspektrum zu erweitern. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Ich bin überzeugt, dass wir unseren Schwerpunkt im Bereich Hören und Sprache beibehalten müssen. Die Anforderungen der uns anvertrauten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind groß genug. Immer häufiger haben die Jugendlichen multiple Diagnosen. Hier müssen wir daran arbeiten, diesen jungen Menschen die optimale Förderung zu ermöglichen. Daher plädiere ich dafür, dass wir unsere Kernkompetenzen stärken, uns auf das konzentrieren, was wir seit Jahrzehnten sehr gut können, ohne dabei den Blick auf neue Entwicklungen und Herausforderungen zu verlieren.
Das BBW agiert nicht im luftleeren Raum: Viele Partner, Institutionen und Unternehmen sind mit dem BBW verbunden. Worauf legen Sie bei der Zusammenarbeit mit diesen Akteuren wert?
Besonders wichtig wird der Kontakt mit den Arbeitsagenturen sein. Schließlich sind die Arbeitsagenturen unsere Auftraggeberinnen, dort wird letztlich der Bedarf festgelegt, den wir erfüllen müssen. Hier wünsche ich mir einen noch engeren Austausch. Ein erster Schritt ist, dass wir wieder häufiger die Reha-Teams der Agenturen besuchen und unser Förderangebot vorstellen werden.
Innerhalb des Bezirks Oberbayern sehe ich noch Potenzial für vertiefte und neue Kooperationen. Ein Beispiel: Aktuell läuft bereits ein gemeinsames Projekt zwischen unseren Feintäschnern und dem Kloster Seeon: Alte LKW-Planen bekommen ein neues Leben als modische Umhängetasche. Das BBW München ist eingebunden in ein Netzwerk aus starken Partnern, etwa der BLWG e.V. oder der GMU e.V. Wir arbeiten im Rahmen der BAG BBW sehr eng mit anderen Berufsbildungswerken, v.a. mit denjenigen im Förderschwerpunkt Hören, zusammen. Insbesondere der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus Nürnberg hat sich in den letzten Jahren als sehr gewinnbringend erwiesen. Diese Beziehungen zu erhalten und zu vertiefen ist mir ein großes Anliegen.
Haben Sie noch letzte erste Worte?
Ich gehe die neue Aufgabe mit großer Vorfreude und Respekt an. In den letzten Monaten konnten wir wegen der ungeklärten Leitungssituation oft nur mit angezogener Handbremse arbeiten. Jetzt lösen wir die Bremsen. Es gibt viel zu tun – packen wir es gemeinsam an!